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Was folgt nach der Einigung beim Brexit?

Der Europäische Rat konnte sich am Donnerstag mit Großbritannien (GB) auf ein verändertes Austrittsabkommen und einer neuen gemeinsamen politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen einigen. Sollten das Britische Parlament, das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten das Abkommen bis 31. Oktober ratifizieren, was unwahrscheinlich aber nicht undenkbar ist, kann GB am 1. November aus der EU austreten.

Ab da hat man bis Ende 2020 Zeit, Details zur Umsetzung eines geordneten Brexits auszuhandeln. Bis dahin wendet GB weiterhin das EU-Recht an. Darüber hinaus wurde ein neues Protokoll über die Grenze zwischen Nordirland und Irland vereinbart, mit dem Ziel, eine harte Grenze zu verhindern und das Friedensabkommen von 1998 zu sichern. Demnach wird zwar anerkannt, dass Nordirland ein untrennbarer Teil Großbritanniens und dessen Marktes ist, allerdings in der Zollunion mit der EU bleiben wird und entsprechende EU-Regeln anwendet. Die Zollkontrollen würden dann auf der Britischen Insel stattfinden. In vier Jahren soll allerdings das Nordirische Parlament die Möglichkeit haben, mit einer einfachen Mehrheit diese Regelung zu verlängern oder es auslaufen zu lassen. Dieser Deal reicht den Unionisten der regierenden Nordirischen DUP nicht, da sie nicht anders behandelt werden wollen, als Wales, England oder Schottland. Sie haben bereits angekündigt, in der Abstimmung am morgigen Samstag dagegen zu stimmen. Eigene Lösungsvorschläge haben sie selbstverständlich nicht. Die Labour Party wird ihre Zustimmung wohl ebenfalls verweigern, da sie die Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards und den Verbraucherschutz in GB bedroht sehen, weil die Britischen Zusagen für gleiche Wettbewerbsbedingungen mit der EU zu sorgen, aus dem Austrittsabkommen entfernt wurden.

Selbst wenn der Deal morgen im Britischen Parlament genehmigt wird, stellt dies keine formelle Annahme dar. Dafür ist ein Gesetzgebungsprozess mit drei Lesungen im Oberhaus „House of Lords“ und Parlament „House of Commons“ ab nächster Woche nötig. Darin kann es weitere Änderungen des Prozesses geben. Die Labour Party mit Jeremy Corbyn fordert z.B. ein Referendum über das Abkommen durchzuführen.

Nach den britischen Institutionen muss dann auch noch das Europäische Parlament zustimmen. Theoretisch könnte bereits in der kommenden Plenarwoche in Straßburg der Ausschuss für Konstitutionelle Fragen (AFCO) darüber beraten und abstimmen, bevor das Plenum seine endgültige Position festlegt. Meine sozialdemokratische Fraktion möchte darauf drängen, ausreichend Zeit zur Beratung des neuen Abkommens zu haben.

Die große Frage aber bleibt: Handelt es sich beim neuen Vertrag um einen ernsthaften Deal, oder ist es wieder nur eine weitere Runde im Schwarzen-Peter-Spiel des Boris Johnson. Aktuell kann der Ausgang allerdings als offen bezeichnet werden.