Informationsreise ins südliche Afrika

Bericht von meiner Reise nach Namibia, Südafrika und Botswana

Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der Europäischen Union und sechs Staaten der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) – Botsuana, Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Eswatini – ist mittlerweile sieben Jahre in Kraft. Daher erfolgt zurzeit eine Überprüfung des Abkommens. Wie hat sich der gegenseitige Handel entwickelt? Wer profitiert davon? Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob das SADC-EPA, angesichts der immer drängender werdenden Herausforderungen des Klimawandels, aber auch angesichts der tiefgreifenden geopolitischen Veränderungen, ergänzt werden sollte – beispielsweise um eine umfassende Investitionspartnerschaft.

Da ich im Europäischen Parlament der zuständige Berichterstatter für das SADC-Abkommen bin, besuchte ich vom 27.10. bis 03.11.2023 Namibia, Südafrika und Botswana. Ziel meiner Reise war es mir, durch Gespräche mit Vertreter*innen der dortigen Zivilgesellschaft, Regierungsstellen, und Vertreter*innen der EU im südlichen Afrika, ein Bild zu machen, wie diese aufgeworfenen Fragen vor Ort gesehen werden.

Namibia

Meine erste Station war Windhoek, die Hauptstadt von Namibia. Einerseits war es hier für mich von besonderem Interesse mich über die geplanten, groß dimensionierten Wasserstoffprojekte zu informieren. Die namibische Regierung setzt stark auf die Produktion von grünem Wasserstoff. In einem Großprojekt ist geplant bis zum Ende des Jahrzehntes auf einer Fläche von rund 4.000 km² jährlich rund 350.000 Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren. Der grüne Wasserstoff soll anschließend zu 90% nach Europa exportiert werden, der Rest soll den Eigenbedarf Namibias decken und auch noch Exporte nach Südafrika ermöglichen. So interessant das Projekt sicherlich für Namibia wie auch Europa ist, hatten meine Gesprächspartner*innen vor Ort viele kritische Fragen, die in den nächsten Jahren beantwortet werden müssen. Wird Namibia durch die Größe des Projektes nicht überfordert? Gelingt es in der kurzen Zeit genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen? Wie steht es um die Hafenkapazitäten für den Export? Und welche Umweltbelastungen sind zu erwarten?

Bremer Kooperationsprojekt: Besuch einer neuen Recycling-Anlage in Windhoek.

Am zweiten Tag in Namibia besuchte ich verschiedene bremische Kooperationsprojekte – denn Bremen unterhält mit Windhoek eine Städtepartnerschaft. Eine Recyclingstation als wesentliches Element für den Aufbau einer Recyclingwirtschaft in der Region ist kurz vor der Eröffnung und bei einem Besuch der städtischen Kläranlage stand die Zusammenarbeit mit HanseWasser bei der Abwasserbehandlung im Mittelpunkt. Es war deutlich: Die Zusammenarbeit zwischen Expert*innen beider Städte im Bereich wichtiger Infrastrukturen wird als sehr vorteilhaft empfunden.

Südafrika

In Südafrika stand in zahlreichen Gesprächen die Just-Energy-Transition-Partnership (JETP) im Fokus. Dabei handelt es sich um eine Investitionspartnerschaft zwischen Südafrika und Team Europe (mehrere EU-Mitgliedstaaten und die EU). Bisher ist die Energie-Versorgung in Südafrika weitgehend von fossilen Energien abhängig, umweltschädliche Kohle hat einen Anteil von rund 90 % an der Stromgewinnung. JETP hat ein Finanzvolumen von knapp 10 Mrd. € und soll helfen den Ausbau regenerativer Energien zu beschleunigen und damit die Abkehr von der Kohle voranzutreiben. Aber was in den Gesprächen mit der Zivilgesellschaft immer wieder betont wurde: Die Transformation muss sozialgerecht erfolgen. Über 120.000 Beschäftigte hängen von der kohlebasierten Energieversorgung ab – diese Menschen brauchen eine Perspektive. Hinzukommt, die grüne Transformation der Energiewirtschaft darf nicht zu einer umfassenden Privatisierung führen, weil dann nicht mehr gewährleistet ist, dass auch ärmere Menschen einen bezahlbaren Zugang zu Energie haben.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat mich bei meiner Reise unterstützt und zahlreiche gute Gesprächstermine arrangiert – wie hier in Südafrika.

Weiterhin ging es in meinen Gesprächen in Johannesburg und Pretoria um aktuelle Handelsstreitigkeiten, etwa bei Zitrusfrüchten und Hühnerfleisch. Die südafrikanische Seite beklagt, dass die gesundheitspolitisch begründeten Handelsbegrenzungen nicht durch Verbraucherschutz motiviert seien, sondern vor allem den protektionistischen Wünschen der europäischen Agrarindustrie entsprechen. Ebenso werden die Planungen zum Carbon-Border-Adjustement-Mechanismus – der Bepreisung des CO2-Gehaltes von Waren, wenn sie in die EU eingeführt werden – als Protektionismus betrachtet, um südafrikanische Waren vom EU-Markt fernzuhalten. Auch wenn ich nicht allen Punkten der Kritik zustimme, konnte ich aus den Gesprächen auch wichtige Eindrücke mitnehmen. Im Sinne einer umfassenden Partnerschaft sollten wir diese Regelungen von EU-Seite nochmals auf den Prüfstandstellen und ggf. anpassen.

Botswana

In der botswanischen Hauptstadt Garbarone ging es vor allem um die handelspolitischen Wirkungen des SADC-EPA. Hier zeigte sich zweierlei: Erstens sind die EU-Handelsregeln derart kompliziert und komplex, dass sie teilweise selbst zum Handelshemmnis werden. Die EU unterstützt die südafrikanischen Staaten deshalb bereits mit sogenannter technischer Hilfe. Diese Hilfe muss in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Zweitens ist es bisher nicht gelungen, die im SADC-EPA verankerte Zielsetzung zu erreichen und die regionale wirtschaftliche Integration zwischen den südafrikanischen Staaten zu verstärken. Dazu wäre es notwendig die Verkehrsinfrastruktur insbesondere zwischen den kleineren südafrikanischen Staaten auszubauen. Dies wird ohne europäische Unterstützung höchstens sehr langfristig zu erreichen sein.

Besuch bei der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Botswana.

Darüber hinaus konnte ich noch an einer interessanten Podiumsdiskussion teilnehmen, bei der Forderungen der Gewerkschaften an den botswanischen Staat zur Schaffung von sozial angemessenen Arbeitsplätzen gerichtet wurden. Das ist ein wichtiges Thema, besonders vor dem Hintergrund einer Jugendarbeitslosigkeit von rund 40%. Bleibt zu hoffen, dass die Gewerkschaften gerade im Hinblick auf die Parlamentswahlen in Botswana im kommenden Frühjahr die Debatte nachhaltig beeinflussen und ihre Forderungen durchsetzen können.

Fazit

Die Reise ins südliche Afrika hat mir viele Erkenntnisse gebracht. Positiv ist sicher, dass der Handel ausgeweitet wurde und die südafrikanischen Staaten einen Handelsbilanzüberschuss erzielen – gleichzeitig konnten regionale Wertschöpfungsketten nicht wesentlich verbessert werden. Auf Seite der südafrikanischen Staaten haben meistens unverarbeitete Agrargüter und unverarbeitete Rohstoffe einen überdimensionalen Anteil am Handel. Einen, im SADC-EPA vorgesehenen, Beitrag zur Erreichung der Sustainable Development Goals und zur größeren Ernährungssouveränität konnte ich auf meiner Reise nicht feststellen. Bei der Evalution des Abkommens ist mir wichtig, dass wir nicht bei der bisherigen Handelspartnerschaft mit den Staaten des südlichen Afrikas stehen bleiben. Wir müssen das Abkommen zu einer umfassenden Partnerschaft ausbauen, die Investitionen insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels einschließen muss. Dabei geht es nicht um Wohltätigkeiten gegenüber den südafrikanischen Staaten. Wir Europäer brauchen eine Partnerschaft mit Afrika, einerseits um den Klimawandel zu bekämpfen, anderseits um wirtschaftlich gemeinsam in der neuen geopolitischen Realität zu bestehen.