Historische Kehrtwende in der EU-Wirtschaftspolitik

Diese Woche hat das das Parlament grünes Licht zum EU-Wiederaufbaufonds der sogenannten „Aufbau-und Resilienzfazilität“ gegeben, dem Herzstück des Europäischen Krisen-Konjunkturprogramms. Damit hat die EU eine historische Kehrtwende in ihrer Wirtschaftspolitik vollbracht. Der 672,5 Mrd. schwere Fonds beruht auf der gemeinsamen Schuldenaufnahme der EU-Mitgliedstaaten und vergibt neben Krediten auch Zuschüsse ohne Rückzahlverpflichtung an die Mitgliedstaaten – das war grade in konservativen Kreisen bisher unvorstellbar. Mit dem Konjunkturprogramm werden aber nicht nur die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abgemildert. Gleichzeitig wird der Weg für eine rasche wirtschaftliche Erholung in Verbindung mit Zukunftsinvestitionen u.a. in Klimaschutz, Digitalisierung aber auch Bildung und Krisenvorsorge bereitet. So unterschiedlich die Ursachen von Euro-Krise und Corona-Krise auch sind, die Erfahrung hat gezeigt, dass eine strikte Sparpolitik langfristige Erholung und Wachstum behindert hat. Mit dem Wiederaufbaufonds hat die EU die richtigen Lehren aus der letzten Wirtschaftskrise nach 2008/09 gezogen.

Um Unterstützung zu erhalten, müssen die EU-Mitgliedstaaten Aufbaupläne ausarbeiten, die sich nach sechs definierten europäischen Prioritäten ausrichten (grüner Übergang und Biodiversität, digitale Transformation, soziale Kohäsion, Bildung, Wettbewerbsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Krisenvorsorge). Darin schlagen sie Reformen und öffentliche Investitionsvorhaben vor, die bis 2026 umgesetzt werden könnten. Die Pläne sollten dieses Jahr bis zum 30. April vorgelegt werden. Diese müssen dann von der Kommission bewertet und vom Rat genehmigt werden.

Deutscher Aufbauplan in der Kritik

Zurecht bemängelt die EU-Kommission die bisher fehlenden Ambitionen Deutschlands in ihrem veröffentlichten Entwurf zum Wiederaufbauprogramm. Schon jahrelang fordert die Kommission, dass Deutschland auf allen staatlichen Ebenen mehr öffentliche Investitionen vorantreibt. Anders als viele andere Staaten ist die Bundesregierung in der vergleichsweise guten Position, über nötige Mittel dafür zu verfügen. Allerdings hat der liberalkonservative Schwarze-Null-Fetisch zu einem massiven Investitionsstau geführt, der besonders in der Krise in Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem schmerzhaft deutlich wird. Deutschland sollte diese einzigartige Chance nutzen, um zusätzliche Investitionen für die Zukunft zu tätigen und nicht, um nur bisherige Vorhaben neu zu verpacken.