Europäische Solidarität statt neoliberaler Finanzpolitik

Am 30.04.2021 war Abgabeschluss für die aus dem europäischen Wiederaufbaufonds finanzierten nationalen Programme, mit denen die Wirtschaft nach dem COVID-bedingten Einbruch wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad gebracht werden sollen. Der Wiederaufbaufonds ist ein Paradigmenwechsel der europäischen Politik und ein Zeichen bisher nicht gekannter europäischer Solidarität. Das Konjunkturprogramm wird durch eine europäische Schuldenaufnahme in Höhe von 750 Mrd. € finanziert. Die Mittel werden nicht gemäß Einwohnerzahl an die Mitgliedstaaten verteilt, sondern in Abhängigkeit von ihrer Krisenbetroffenheit.

Dieses europäische Konjunkturprogramm ist zugleich eine deutliche Abkehr von der neoliberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU in den letzten Jahren. Im letzten Jahrzehnt standen eine rigorose Sparpolitik und die Reduzierung öffentlicher Ausgaben im Mittelpunkt. Das hat zu sozialer Ungerechtigkeit und viel zu niedrigen öffentlichen Investitionen geführt. Damit konnten wesentliche soziale, klimapolitische und wirtschaftliche Herausforderungen nicht angemessen angegangen werden.

Aber schon während die Konjunkturprogramme verabschiedet werden, wollen die Konservativen und Liberalen wieder zurück zur absurden Spar- und Kürzungspolitik. In Deutschland geht es darum, ob und wann wieder zurückgekehrt werden soll zu einer Politik der „Schwarzen Null“, dem goldenen Kalb neoliberaler Finanzpolitik. Und in der EU haben wir die gleiche Debatte. Hier geht es um die Frage, wann wieder die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Kraft gesetzt werden, der die Neuverschuldung begrenzt und vor allem höher verschuldete Staaten zu massiven Ausgabenkürzungen zwingt. Die Rückkehr zu einer restriktiven Finanzpolitik wäre Gift für die Konjunktur und würden wichtige Zukunftsinvestitionen etwa für den Klimaschutz oder die Digitalisierung verhindern.

Deswegen: Der mit dem Wiederaufbaufonds eingeleitete Politikwechsel muss fortgesetzt werden. Statt Rückkehr zu einer schädlichen Sparpolitik brauchen wir die Fortsetzung einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik, die öffentliche Schulden nicht verteufelt, sondern als ein Mittel zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen nutzt. Zudem brauchen wir in Europa eine Diskussion und Lösung für den Umgang mit Altschulden. Ähnlich wie in Deutschland mit der Reform des Länderfinanzausgleichs brauchen wir auch in Europa eine Regelung, die die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, ihre sozialen und ökologischen Zukunftsaufgaben trotz hoher Altschulden zu bewältigen. Kurzum: Der mit dem Wiederaufbaufonds eingeschlagene Weg europäischer Solidarität muss fortgesetzt werden.