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Konfrontation statt Kooperation – Die europäische China-Politik auf dem Holzweg

Noch steht im „Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung“, dem gerade verabschiedeten sicherheitspolitischen Grundlagendokument, dass China für die EU ein wirtschaftlicher Konkurrent und ein systemischer Rivale, aber auch ein Kooperationspartner sei. Dabei stehen die Zeichen längst auf einer stärkeren Konfrontation, woran natürlich China die Schuld zugewiesen wird. China missachte die weltwirtschaftlichen Regeln und will gar eigene ökonomische Standards setzen. Das ist in der Tat ein ungeheuerlicher Angriff, gelang es bisher doch der EU im Verbund mit den USA durch die Regeln der Weltwirtschaftsordnung und die westlichen Standardsetzung ihre ökonomische Dominanz global abzusichern.

Zudem werden die umfangreichen Aufrüstungsmaßnahmen Chinas kritisiert. Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings wird nicht erwähnt, dass die Militärausgaben der USA noch mehr als das Dreifache der Militärausgaben Chinas umfassen. Und da die USA, noch unter Ex-Präsident Trump, China zum größten globalen Feind erklärt haben und auch Präsident Biden diese Linie nicht aufgegeben hat, verwundert es eigentlich nicht, dass China sich von den USA bedroht sehen könnte. In ihrem strategischen Kompass erklärt die EU den Indo-Pazifik zu ihrer Interessenssphäre, in der sie auch militärisch präsent sein will. Unsere Sicherheit wird nicht mehr am Hindukusch verteidigt, wie Peter Struck Anfang der 2000er den Krieg gegen Afghanistan rechtfertigte, sondern inzwischen im noch östlicheren Indo-Pazifik. Die Militärhaushalte der EU-Mitgliedstaaten sind – nebenbei bemerkt – in etwa so hoch, wie der von China.

Die Konfrontationspolitik mit China wird auch mit ökonomischen Mitteln verschärft.

Ein europäisches Regelwerk zur Verhinderung von chinesischen Investitionen in der EU in strategisch wichtigen Sektoren wird gerade verabschiedet. Die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von Vorprodukten aus China (Stichwort Halbleiter) wird durch den Aufbau eigener Produktionslinien reduziert. Der außenwirtschaftlichen Investitionsoffensive der chinesischen neuen Seidenstraße wird eine Global Gateway Initiative der EU entgegengesetzt, allerdings auf einem, im Vergleich zu China, doch sehr geringen Niveau. Dabei geht es drum, sich Zugänge zu Rohstoffen zu sichern und sich andere Länder gewogen zu stimmen. Das noch Ende 2020 unter der deutschen Ratspräsidentschaft fertig verhandelte Investitionsabkommen zwischen der EU und China liegt dagegen auf Eis. Angesichts der europäischen Kritik an Menschenrechtsverbrechen in China gegen die Uyguren ist die notwendige Ratifizierung des Abkommens in der EU ausgesetzt worden.

Ein weiterer Tiefpunkt der Beziehungen offenbarte sich im jüngsten Gipfeltreffen der EU-Kommission mit der chinesischen Staatsführung. Wie zu erwarten war, weigerte China sich – wie schon bei der UN-Resolution zuvor – Russland für seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine zu verurteilen. Und auch die Drohung mit wirtschaftlichen Konsequenzen gegen China vorzugehen, sollte China die Sanktionen hintertreiben, beeindruckten Präsident Xi wenig.

Eine Eskalation kann sich Europa wirtschaftlich nicht leisten

Gebremst wird die zunehmende Konfrontationspolitik noch von dem Bewusstsein der großen Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von China, so ist China bspw. der bedeutendste Handelspartner für Deutschland. Und noch besteht die Abhängigkeit nicht nur darin, dass europäische Unternehmen Gewinneinbußen hinnehmen müssten wenn die Beziehungen ins Stocken geraten. Ein ernsthafter Wirtschaftskrieg würde weitreichende Folgen haben. Lieferketten würden zusammenbrechen mit der Folge, dass die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern in Europa nicht umfassend gesichert wäre und zahlreiche Produktionsbänder, etwa in der Automobilindustrie, stillstehen würden – teils wegen fehlender Ausgangsprodukte, teils wegen eines fehlenden Absatzmarktes für das Endprodukt.

Ohne Zweifel ist China in vielerlei Hinsicht zu kritisieren. Das autoritäre Regierungssystem entspricht nicht europäischen Werten. China missachtet Menschenrechte. China erhebt offen Gebietsansprüche an Taiwan. Aber ob der neue Konfrontationskurs vernünftig ist, ist stark zu bezweifeln. Der EU-Außenbeauftragte Borrell versteigt sich in seinem Vorwort zum strategischen Kompass zu der Aussage: „Aber es ist klar, dass Dialog, Diplomatie und Multilateralismus nur dann erfolgreich sein können, wenn man sie mit Macht durchsetzt.“

Wer so redet, will keinen regelgebundenen Multilateralismus, sondern Herrschaft und Dominanz über andere Staaten. Angesichts der inzwischen grundlegend veränderten geopolitischen Lage, bei der gerade China als neue Weltmacht eine bedeutende Rolle einnimmt, ist eine solche Perspektive wenig erfolgsversprechend, um die Interessen Europa im friedlichen Miteinander der Staaten zu verfolgen. Sie führt gerade nicht zu einer regelgebundenen Weltordnung sondern zu einer Zunahme von Konfrontation.

Bild von Joachim Druwe auf Pixabay