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Der geordnete Brexit rückt ein Stück näher

Bereits ein Jahr lang ringen die Verhandlungsführer der EU und Großbritanniens um die Modalitäten des am 23. Juni 2016 vom britischen Volk beschlossenen Austritts aus der EU. Am vergangenem Sonntag war es soweit: Ein Abkommen für die Übergangszeit bis zum vollständigen Austritt Großbritanniens und Nordirlands 2020 ist unterzeichnet.

Was ist eigentlich beschlossen worden?
Es soll einen „weichen“, geordneten Brexit geben, geregelt durch einen rechtsverbindlichen Austrittsvertrag. Dieser muss noch bis 2020 ausverhandelt werden. Die Frist kann bis maximal 2022 verlängert werden. Das jetzt beschlossene Austrittsabkommen regelt daher lediglich grundsätzliche, aber wichtige Fragen. Großbritannien verpflichtet sich darin, seinen bis Ende 2020 eingegangenen Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der siebenjährigen Finanzplanung der EU nachzukommen und die EU-Gesetze bis dahin anzuwenden. Die Briten dürfen im Gegenzug bis 2020/22 Mitglied des EU-Binnenmarkts und der Zollunion bleiben. Der freie Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr könnte also bestehen bleiben.

Knackpunkt ist die Irland-Frage
Die schwierigste Frage ist die Grenzkontrolle zwischen einem Mitgliedstaat Irland und Nichtmitglied Nordirland. Denn es sollten dabei die alten, langsam verheilenden Wunden des Bürgerkriegs nicht wieder aufgerissen werden. Es gibt zwar noch keine Lösung, aber den beiderseitigen Willen, eine harte Grenze zu verhindern. So soll Nordirland im Binnenmarkt und in der EU-Zollunion verbleiben, bis durch Großbritannien eine realistisch anwendbare alternative Lösung gefunden wird. Warenkontrollen müssten an der nordirisch-britischen Grenze erfolgen. Wird bis Ende der Übergangsphase keine Regelung gefunden, verbleibt Großbritannien in der Zollunion. Dieser sogenannte „Backstop“ soll dementsprechend ohne zeitliche Befristung angewendet werden.

Sollten das britische Parlament und das EU-Parlament zustimmen, wird der Brexit am 29. März 2019 vollzogen. Sitze im Europäischen Parlament und im Rat hätten die Briten dann nicht mehr und damit auch kein Stimmrecht, wenn künftig neue EU-Gesetze beschlossen werden.

Zustimmung des britischen Parlaments unsicher
Alles in allem ist dies ein tragfähiger Kompromiss. Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments ist so gut wie sicher. Anders sieht es in Großbritannien aus. Die Brexit-Hardliner akzeptieren diese Konditionen nicht, insbesondere die Übergangslösung für Nordirland. Erstens würde ein Teil Großbritanniens (Nordirland) dem EU-Recht unterliegen. Zweitens könnte Großbritannien keine Handelsverträge mit Präferenzzöllen aushandeln, wenn sie in der Zollunion verbleiben, sondern muss sich an die EU-Zölle mit Drittstaaten halten. Würde, drittens, Großbritannien am Ende des Prozesses aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aussteigen, entstünde eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs.

Für die pro-britische, protestantische DUP ist dies nicht akzeptabel. Es droht ein Scheitern bei der Abstimmung am 11. Dezember im britischen Parlament. Die Spaltung des Landes, die David Cameron und seine konservative Partei herbeigeführt haben, lässt sich aber  unabhängig vom Ausgang der Abstimmung nicht mehr so schnell heilen. Die Geister, die sie riefen, werden die Tories wohl nicht mehr los.