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Gegen die Mythen zur Griechenlandrettung

Nachdem diese Woche Griechenland offiziell das dritte Kreditprogramm verlassen konnte und nun selbst Kredite an den internationalen Finanzmärkten aufnehmen kann, ist es Zeit für eine Bilanz. Die zog auch Ministerpräsident Tsipras, der diese Woche Rede und Antwort im EU-Parlament stand. Er betonte die Reformleistungen der griechischen Regierung und hob immer wieder die europafreundliche Haltung der Griechen hervor. Nationalismus und Rassismus hat er eine klare Absage erteilt, alle wesentlichen Probleme könnten nur europäisch gelöst werden.

Aber die Erhaltung der EU erfordere eine neue Politik für Wachstum, Kohäsion und sozialen Ausgleich. Für die Zukunft forderte Tsipras zurecht eine Abkehr von der Austeritätspolitik, die soziale Belange nicht berücksichtigt. Eine derartige Politik gefährde den Zusammenhalt in der EU und habe in der Vergangenheit maßgeblich zum Erstarken des Rechtpopulismus und Nationalismus beigetragen. Europa muss zurückkehren zu einer Politik der Solidarität und Zusammenarbeit, also zu mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr sozialer Gerechtigkeit. Griechenland wolle dazu seinen Beitrag leisten.

Dieser Politikwechsel ist dringend erforderlich, denn die sogenannte Griechenland-Rettung hat einerseits gravierende soziale Probleme verursacht und andererseits die tieferliegenden Wirtschaftsprobleme nicht gelöst. Zugleich sind im Zuge des Prozesses populistische Vorurteile geschürt worden, die letztlich die EU insgesamt schädigen.

Mythos: Wir Deutschen zahlen für die faulen Griechen
Viel wurde seit 2010 über die Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott diskutiert und geschrieben. In Deutschland nutzten viele konservative, häufig auch nationalistische EU-Kritiker aber auch einige Linke und 37.000 Bürger mit dem Verein „Mehr Demokratie“ die Gelegenheit, um gegen die EU zu wettern oder eine Verfassungsklage gegen den sogenannten Eurorettungsschirm anzustrengen. Tenor: Die EU werde so zu einer „Haftungs- und Transferunion“. Im Bundestag und in Medien entbrannte eine sehr emotionale Debatte über mögliche Folgen der Rettungsmaßnahmen. Bundesfinanzminister Schäuble hat sogar einen „Grexit“, also Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone in die Diskussion gebracht. In der deutschen Bevölkerung verfestigte sich so die Meinung, Deutschland zahle für die faulen Griechen, die sich eine Mitgliedschaft im Euroraum erschlichen hatten.

Realität: Deutsche Banken und der deutsche Staat sind Profiteure
Bei genauerem Hinsehen ist diese Debatte, die den Aufstieg des Rechtspopulismus in Deutschland mit befördert hat, weit entfernt von der Realität. Es hat keine Transfers auf Kosten der Steuerzahler gegeben. Es wurden Kredite gewährt, die Griechenland bedienen musste. Die Mittel für die Rettungsmaßnahmen wurden weniger zur Ankurbelung der griechischen Wirtschaft als vielmehr zur Tilgung der Verbindlichkeiten Griechenlands gegenüber den Banken genutzt. Vor allem die deutschen und französischen Banken, die laut IMK Report vom Juni 2013 zusammen 42 Prozent aller Bankenforderungen gegenüber Griechenland hielten, waren Profiteure der Kreditprogramme.

Unterm Strich hat Deutschland bei der Griechenlandrettung rund 3,5 Milliarden Euro Gewinn durch griechische Zinszahlungen erwirtschaftet, der vereinbarungsgemäß jetzt zurückgezahlt wird. Soweit zum Thema „europäische Solidarität“, die so häufig und gerne im deutschen öffentlichen Diskurs von den anderen Mitgliedstaaten eingefordert wird.

Realität: Griechenland hat nur wenig Nutzen ziehen können
Die griechische Wirtschaft und Gesellschaft haben hingegen nur wenig profitiert. Das Bruttoinlandsprodukt ist seit 2008 um 25 Prozent geschrumpft. Und es bleibt ungewiss, wie sie sich die griechische Wirtschaft im harten europäischen Wettbewerb langfristig entwickeln wird. Zumal aufgrund der Krise eine Auswanderung von vielen Fachkräften, auch nach Deutschland, eingesetzt hat und die Arbeitslosigkeit nach wie vor bei 20 Prozent liegt. Breite Bevölkerungskreise leben inzwischen an oder unter der Armutsgrenze.

Bilanz der Kreditprogramme ist sehr durchwachsen
Eine erste Bilanz der Kreditprogramme lässt sich wie folgt ziehen. Die Griechenlandrettung hat die Kreditwürdigkeit des Landes an internationalen Finanzmärkten zumindest kurzfristig wiederhergestellt. Den in der Öffentlichkeit unterstellten Transfer des europäischen Steuerzahlers an die Griechen hat es nicht gegeben. Die Gefahr einer erneuten Krise ist noch nicht gebannt. Denn der Schuldenstand ist so hoch, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) zurecht Schuldenstreichungen für Griechenland fordert. Zudem fehlen den Griechen dringend benötigte Finanzmittel, um nachhaltiges Wachstum auf den Weg zu bringen. Die soziale Schieflage hat sich dramatisch zugespitzt.

Fazit: Wir brauchen eine Reform der gesamten Eurozone
Die Bilanz zeigt zudem, dass wir eine Reform der gesamten Eurozone brauchen. Der erste Schritt sollte dabei die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) sein, um ein brauchbares Instrument zur Krisenbewältigung zu schaffen. Darüber hinaus brauchen wir eine präventive Politik zur Förderung nachhaltigen Wachstums. Dazu muss die Eurozone endlich einen eigenen Haushalt erhalten, um auch wirksame und europäisch koordinierte Investitionen in sozialen und ökologischen Bedarfsfeldern tätigen zu können. Das Ganze erfordert keine neuen Transfers des europäischen Steuerzahlers. Eine konsequente und faire Besteuerung der massiven Umsätze der Finanzmärkte und weltweit agierender Unternehmen in Europa können die Haupteinnahmequelle bilden.