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Von der Währungs- zur Transferunion?

Der französische Präsident Macron hat die Zeichen der Zeit schon früh erkannt. Im September letzten Jahres machte er ambitionierte Vorschläge zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Wirtschaftspolitischer Kern der Botschaft: Die restriktive Stabilitätspolitik muss aufgegeben werden. Wir brauchen mehr europäische Souveränität zur politischen Regulierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Die deutsche Regierung hat neun Monate später ihre Vorstellungen zur Festigung des Euro dargelegt, bei der sie manche Vorschläge verhalten aufnimmt. Allerdings zeigt Bundeskanzlerin Merkel bisher wenig Bereitschaft, von der radikalen Stabilitätspolitik abzuweichen. Auch wenn sie  zunehmend gezwungen ist, auf Macron zuzugehen, will sie überhaupt noch einen Verbündeten in Europa haben.

Von deutscher Seite wird dabei vor allem gebetsmühlenartig wiederholt, dass die Währungsunion nicht zur Transferunion führen und es keine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa geben darf. Das klingt logisch und findet in der deutschen Öffentlichkeit spontane Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung. Aber diese Bekenntnisse sind wenig realitätstauglich und im Kern der Versuch, die deutsche Dominanz in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verteidigen.

In einer Währungsunion verschiedener Staaten, die zudem durch einen gemeinsamen Binnenmarkt verbunden sind, ergeben sich zwangsläufig Transfers zwischen den verschiedenen Teilgebieten. Die Bundesregierung redet immer nur von monetären Transfers, die über die Staatshaushalte erfolgen. Mindestens genauso bedeutsam sind allerdings reale Transfers. Der Handelsüberschuss Deutschlands gegenüber anderen Euro-Staaten bedeutet immer auch den Transfer von Arbeitslosigkeit.

Zudem bildet sich in einem gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum eine neue Arbeitsteilung heraus, die sich beispielsweise in der Schließung von nicht so wettbewerbsfähigen Unternehmen  oder der Verlagerung von Arbeitsplätzen zeigt. Auch eine Art von Realtransfer. Diese Transfers wirken direkt. Zumal die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten der Euro-Staaten beschränkt sind, diese Realtransfers zu steuern, weil insbesondere der Wechselkursmechanismus nicht mehr zur Verfügung steht. Das kann dann im Übrigen in einigen Regionen und Staaten auch die Staatsfinanzen negativ beeinflussen, denn Arbeitslose zahlen in der Regel keine Steuern.

Ein weiterer Aspekt wird in der Diskussion aufgebauscht. Wenn von der Transferunion die Rede ist, wird immer wieder suggeriert, es ginge um einen europäischen Finanzausgleich, der dem deutschen Finanzausgleich ähnelt. Auch das fordert keiner, weil ein solcher Ausgleich in der Tat nicht finanzierbar wäre. Aber der innerdeutsche Finanzausgleich hat gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen zum Ziel. Auf europäischer Ebene fordert niemand ein so ambitioniertes Ziel. Hier geht es lediglich darum, sicherzustellen, dass keine Region/Land dauerhaft durch die Integration verliert und in allen Ländern eine positive Entwicklung möglich ist. Das ist etwas völlig anderes und von der Dimension her deutlich geringer, als eine Angleichung der Lebensverhältnisse anzustreben.

Wer die Wirtschafts- und Währungsunion in Europa festigen will, muss diese Zusammenhänge in seiner Politik berücksichtigen. Eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik, die sich nur an der Interessen der starken Länder und Regionen orientiert ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Sie führt zu politischen Populismus und Nationalismus.

Die Vorschläge von Macron gehen in die richtige Richtung, weil sie auch monetäre Transfers im Rahmen eines Eurozonenhaushaltes beinhalten, um die realen Transfers der letzten Jahre auszugleichen.