Nachdem die EU-Kommission das soziale Europa mehr als ein Jahrzehnt unter dem Präsidenten José Manuel Barroso vernachlässigt hat, scheint sie jetzt endlich zur Einsicht zu kommen. Zu seinem Amtsantritt 2014 kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, die sozialen Rechte auf EU-Ebene zu stärken, um sich im sozialen Bereich ein „AAA“-Rating zu verdienen. Die Vorlage der ‚Europäischen Säule Sozialer Rechte‘ Anfang 2017 und das nun für 2018 angekündigte ‚Paket zur sozialen Gerechtigkeit‘ sind erste Vorstöße für eine Kurskorrektur. Leider ist gut gemeint aber noch nicht gut gemacht. Die Kommission bleibt bisher weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Bis heute hat sich die Situation vieler ArbeitnehmerInnen in Europa nicht verbessert.
Im Gegenteil: Die Qualität der Arbeitsplätze in ganz Europa hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Europa befindet sich in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen. In vielen Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, sehen wir einen starken Anstieg des Niedriglohnsektors. Millionen von europäischen ArbeitnehmerInnen haben sogenannte Null-Stunden-Verträge, die es Unternehmen ermöglichen, Mitarbeiter einzustellen, ohne ihnen eine feste wöchentliche Arbeitszeit zu garantieren. In Europa erleben wir zudem einen stetigen Rückgang der Arbeitnehmervertretung sowie der Gewerkschafts- und Tarifdichte, mit dramatischen Auswirkungen auch auf die Lohnentwicklung. Die Finanzkrise und die Sparpolitik in großen Teilen Europas haben diese Trends noch verschärft, während gleichzeitig die sozialen Sicherungsnetze geschwächt wurden.
Wir Sozialdemokraten kämpfen daher weiter für angemessene und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der EU, insbesondere auch in den neuen, prekären und digitalen Arbeitsverhältnissen, angemessene Mindesteinkommenssysteme in allen Mitgliedsstaaten und die Ergänzung der EU-Verträge um ein Sozialprotokoll, damit soziale Rechte gegenüber den wirtschaftlichen Rechten endlich an Wert gewinnen. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Kindergarantie ein, damit jedes Kind in Europa Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung, Bildung und Betreuung, menschenwürdiger Unterkunft sowie angemessener Ernährung hat. Eine Forderung, die im 21. Jahrhundert in Europa eigentlich längst umgesetzt sein sollte.