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Online-Plattformen endlich regulieren: Mein Richtlinienentwurf

Es kann nicht sein, dass die EU-Kommission alles regulieren will, aber nicht im Bereich sozialer Rechte. Deshalb habe ich vor einigen Wochen in Eigeneninitiative eine Richtlinie entworfen, die für die Plattformökonomie arbeits- und sozialrechtliche Standards einfordert und konkret skizziert. Das Ziel: bessere Rechte der dortigen MitarbeiterInnen. Seitdem werbe ich in Berlin für diesen Vorschlag, denn nur mit Unterstützung von nationalen Akteuren kann es uns gelingen, das Thema auf die politische Agenda zu setzen. Wir EU-Parlamentarier können ja im Gegensatz zu den Kollegen im Bundestag keine Gesetzesinitiative starten. Aber wir können politischen Druck erzeugen, damit die Kommission endlich tätig wird.  Meine Ideen habe ich den SPD-Bundestagsabgeordneten und Vertretern des DGB vorgestellt. Die Resonanz darauf war sehr positiv.

Die sogenannte Plattformökonomie mit Unternehmen wie dem Taxidienst Uber, Deliveroo oder mechanical turk von Amazon ist bereits ein fester Bestandteil der europäischen Wirtschaft und ihre wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung wird in Zukunft weiter signifikant zunehmen. Der durch Plattformen generierte Umsatz in der EU betrug 2015 rund 28 Milliarden Euro, doppelt so viel wie noch 2014. Auch wenn die Zahlen über den Umfang weiter stark variieren, geht man davon aus, dass bis zu fünf Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in Europa schon über eine Plattform Einkommen erzielt haben. Das rasante Anwachsen der Plattformen stellt eine Chance für die europäische Wirtschaft dar und ihr werden hervorragende Entwicklungschancen eingeräumt: Sie ist jung, innovativ, ressourceneffizient, nutzerfreundlich und ermöglicht zudem erhebliche Effizienz- und Produktivitätssteigerungen.

Sozialdumping verhindern
Die höhere Wettbewerbsfähigkeit wird allerdings nicht nur durch eine höhere Flexibilität, neue Formen digitaler Vernetzung und geringere Transaktionskosten erreicht. In vielen Fällen geschieht dies durch eine Abwälzung sozialer Kosten auf die Beschäftigten oder die Gesellschaft sowie durch die Umgehung arbeits- und sozialrechtlicher Standards und gewerblicher Auflagen. Klar ist, Wettbewerbsvorteile der Plattformwirtschaft gegenüber der herkömmlichen Wirtschaft, die auf Sozialdumping und Steuervermeidung beruhen, sind politisch inakzeptabel.

Plattformbeschäftigte bisher ohne Schutz
Bislang befinden sich Plattformbeschäftigte häufig in einer schlechteren Position als ihre KollegInnen in der herkömmlichen Wirtschaft. Sie genießen keinen Kündigungsschutz, haben keinen Urlaubsanspruch oder Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sind häufig nicht in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme eingebunden und werden nicht nach Mindest- oder Tariflohn bezahlt. Das Fehlen von Gewerkschaften oder anderen Organisationsformen, die Marktmacht einiger weniger Plattformen in bestimmten Sektoren und die konstante wirtschaftliche und rechtliche Unsicherheit führen zu massiven Ungleichgewichten. Das übergeordnete Ziel der von uns Sozialdemokraten vorgeschlagenen Richtlinie ist es, ein Mindestmaß an sozial- und arbeitsrechtlichem Schutz für Arbeitskräfte in der Plattformökonomie sicherzustellen und faire Wettbewerbsbedingungen für die  herkömmliche Wirtschaft zu gewährleisten.

Stichwort: Arbeitsverhältnis oder Selbstständigkeit
Bisher werden MitarbeiterInnen von Online-Plattformen von diesen pauschal als Selbstständige eingestuft. Dadurch werden ihnen viele Rechte vorenthalten, obwohl sie die üblichen Kriterien für eine Einstufung als Arbeitnehmer erfüllen. Deshalb wollen wir die bisherige Beweislast umgekehren. Künftig soll unterstellt werden, dass MitarbeiterInnen bei Plattformen Arbeitnehmer sind. Sollte die Plattform dies anzweifeln, muss sie anhand von festgelegten Kriterien nachweisen, dass die MitarbeiterInnen doch selbständig sind. Werden mindestens drei dieser Kriterien erfüllt, kann man von einem normalen Arbeitsverhältnis zwischen der Plattform und der Arbeitskraft ausgehen, mit allen Folgepflichten für den Arbeitgeber. In der Richtlinie werden weiterhin Mindeststandards für ein plattformbasiertes Arbeiten festgelegt. Dabei handelt es sich etwa um die Festlegung der Entgelthöhe, die Qualitätskontrolle der Arbeitsergebnisse, die Erstellung von Ratings oder die Abwicklung der Kommunikation.

Stichwort: „Digitale Entsendung“
Hier geht es darum, dass an dem Ort, wo der Arbeitgeber die Leistung empfängt, auch die arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer wirksam werden. Wird also die Dienstleistung in Deutschland eingekauft, gelten auch das deutsche Sozial- und Arbeitsrecht. Auch dann, wenn der Mitarbeiter an einem Laptop in Bulgarien sitzt. Die vorliegende Richtlinie sieht also eine funktionale Entkoppelung von ‚Arbeitsort‘ und ‚Ort des Leistungsempfangs‘ vor, weil die bisherigen und für die herkömmliche Wirtschaft entwickelten Rahmenbedingungen der Entsendung für die Plattformökonomie ungeeignet sind.