„Ich kenne keine roten Linien. Ich kenne nur Horizonte.“ Mit diesem Satz schoss der französische Präsident Emmanuel Macron in seiner viel beachteten Rede an der Universität Sorbonne in Richtung Berlin, wo nach der Bundestagswahl die potenziellen Koalitionäre aus CDU/CSU, FDP und Grüne ihre roten Linien für die mögliche Jamaica-Koalition proklamiert haben. Die FDP wiederholte dabei vor allem ihre Ablehnung eines europäischen Finanzausgleichs über ein Eurozonen-Budget und eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung der Banken. Und so gelang es Macron nicht nur die Debatte über die Zukunft der EU neu zu entfachen, sondern auch und vor allem dieses Thema der Bundeskanzlerin quasi aufzudrücken. Denn eines ist jedem in Europa klar, ohne den deutsch-französischen Motor geht in der EU nichts.
Wichtige Forderungen
Dabei sind die Forderungen von Macron für uns Sozialdemokraten nicht neu. Seit Jahren fordern wir im Europaparlament mehr sozialen Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten, mehr gemeinsame und klare Kriterien für Steuern und Finanzen, mehr Einsatz im Kampf gegen Steuerflucht und –vermeidung oder einen Etat für die Eurozone, um einige Punkte zu nennen. Denn nur so werden wir gegen künftige finanzielle Turbulenzen gewappnet und in der Lage sein, gesamteuropäisch gegen die wirtschaftlichen Krisen in den Mitgliedstaaten vorzugehen, Zukunftsinvestitionen zu tätigen oder Arbeitslosigkeit abzubauen.
Progressive Positionen für eine inhaltliche Debatte
Macron geht erstaunlich progressiv vor. Er spricht sich etwa für eine EU-Armee aus, will eine europäische Asylagentur, eine Harmonisierung der Asylprozesse sowie eine bessere Bildung und Integration von Flüchtlingen, eine Kohlendioxid-Steuer auf Importe aus Ländern, die den Klimaschutz nicht beachten, und eine transparentere an europäischen Werten orientierte Handelspolitik. Man muss diese Positionen nicht alle teilen. Zudem sind wir am Beginn der Debatte, in deren Verlauf die aufgeworfenen Fragen beantwortet werden müssen. Macron hat im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern, und vor allem zu allen anderen amtierenden Staatschefs, die Zeichen der Zeit erkannt.
Politische Zusammenarbeit vertiefen
Wenn wir Europäer uns im Konzert der Weltmächte behaupten wollen, müssen wir die politische Zusammenarbeit vertiefen. Die SPD ist gut beraten, wenn sie Europapolitik zu einem ihrer Schwerpunkte macht. Das nationale Spielfeld ist zu klein, um global für mehr Gerechtigkeit einzustehen.