Der Koalitionsvertrag der GroKo verspricht einen „neuen Aufbruch für Europa“. Den wird es aber nur geben, wenn er auch finanziell untermauert wird. Das bisherige Haushaltsvolumen der EU reicht dafür nicht aus, zumal durch den Brexit jährlich rund 12 Milliarden Euro netto in der Kasse fehlen. Und in den letzten Jahren wurden fleißig neue Ausgaben beschlossen, etwa für die Grenzsicherung, die Förderung von Investitionen in Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen oder für ein stärkeres sicherheitspolitisches Engagement der EU.
Die Kommission wird im Mai einen Vorschlag für den Haushalt ab 2021 vorlegen. Die bisherigen Einlassungen der Mitgliedstaaten dazu zeugen jedoch von erheblicher Realitätsverweigerung. Im Kern hat jeder Netto-Zahler zu verstehen gegeben: Wir geben nicht mehr als bisher. Damit sind aber weder die neu zugewiesenen Aufgaben zu bezahlen, noch die bisherigen Leistungen finanziell abzusichern.
Für Bremen und Bremerhaven besonders brisant: Sollten nicht einmal die durch den Austritt Großbritanniens fehlenden Einnahmen ausgeglichen werden, kommt es unweigerlich zu Kürzungen in der Strukturpolitik. Als im EU-Vergleich wirtschaftsstarke Region würde dann das Bundesland Bremen keinerlei Förderung mehr erhalten. Auf Deutsch: Das Land Bremen würde ab 2021 Einnahmeausfälle in Höhe von rund 24 Millionen Euro jährlich zu verkraften haben, die bisher in viele Projekte der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung geflossen sind.
Das Europäische Parlament hat in dieser Woche seine Forderungen an den neuen Haushaltsrahmen formuliert. Unterm Strich fordert das Parlament eine Ausweitung der Ausgaben um 30 Prozent, das wären rund 40 Milliarden Euro jährlich. Viele argumentieren, dass das EU-Parlament den Bezug zur Realität verloren hat, wenn es eine deutliche Ausweitung der Ausgaben fordert. Die Europaparlamentarier bräuchten ja nicht den WählerInnen erklären, dass sie ihnen mehr Geld abnehmen wollen. Bei genauerem Hinsehen erweist sich das als Unsinn. Denn die erforderlichen Mittel ließen sich leicht aufbringen, wenn endlich internationale Konzerne und spekulative Geschäfte an den internationalen Finanzmärkten angemessen besteuert werden.
Statt zuzulassen, dass Konzerngewinne mit weniger als einem Prozent besteuert werden, würden die Beseitigung der Steuervermeidungspraktiken und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer seriösen Schätzungen zufolge europaweit über 100 Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen pro Jahr bescheren. Geld, das nur durch gemeinsames europäisches Handeln in die nationalen Kassen fließen kann. Als Nebeneffekt einer auskömmlichen Finanzierung der EU könnte damit endlich wieder Steuergerechtigkeit zwischen internationalen Konzernen auf der einen sowie kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Seite hergestellt werden.