Die Weltwirtschaft ist in Unordnung geraten. US-Präsident Trump demontiert die Welthandelsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Führung und im Interesse der USA aufgebaut wurde. Diese sei nämlich inzwischen ungerecht und benachteilige die USA, während rücksichtslose Länder wie China und Deutschland davon maßlos profitierten. Als Antwort hat Trump die Strategie “America First“ ausgegeben, die keineswegs originell und zukunftsweisend ist. Es ist der schlichte Versuch, die ökonomische und politische Macht der USA auf der internationalen Bühne zum eigenen Vorteil einzusetzen.
Auch die Mittel sind wenig originell. Der Kern ist ein aggressiver und willkürlicher Protektionismus. Neue Zölle auf Stahl und Aluminium sind nicht vereinbar mit dem internationalen Regelwerk. Mit China befindet sich die USA inzwischen in einem offenen Handelskrieg. Und Europa droht er mit drastischen Zollerhöhungen auf Autos. Die Weltwirtschaftskrise 1930/32 hat gezeigt, welche verheerenden Wirkungen von einer derartigen Politik ausgehen können.
EU und USA: Nur Juncker macht Zugeständnisse
Im Juli hat EU-Kommissionspräsident Juncker in einem Gespräch mit Trump vermeintlich einen Waffenstillstand verhandelt. Man hat sich darüber geeinigt, auf weitere Zollerhöhungen zunächst zu verzichten und über die vollständige Abschaffung der Zölle bei Industriegütern zu sprechen (aber nicht bei Autos). Um dies den USA schmackhaft zu machen, hat Juncker zugleich zugestanden, höhere Einfuhren von amerikanischen Sojabohnen und Flüssiggas zu ermöglichen. Zugeständnisse der USA hat es nicht gegeben. Die Zölle auf Stahl und Aluminium wurden nicht zurückgenommen. Die Drohung, Autozölle zu erheben, bleibt bestehen. Felder, an denen die EU ein hohes ökonomisches Interesse hat, wie etwa die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens der USA für europäische Anbieter oder der Dienstleistungshandel, sollen auch zukünftig nicht thematisiert werden. Zudem werden ökologische Bedenken ignoriert, denn das Flüssiggas, was die EU vermehrt einführen will, ist Fracking-Gas.
Neue Handelsabkommen: Qualität geht vor Tempo
Neben diesen Versuchungen zur Beschwichtigung der USA versucht die EU ihr Festhalten an dem multilateralen Handelssystems durch den möglichst raschen Abschluss möglichst vieler Handelsabkommen mit anderen Staaten zu unterstreichen. Die Aktivitäten sind vielfältig: Unterzeichnungsreife Abkommen mit Japan und Singapur, Verhandlungen mit Australien, Neuseeland oder südamerikanischen Staaten. Dabei müssen dann manchmal auch Anforderungen an ökologische und soziale Standards zurückstehen. So ist das Nachhaltigkeitskapitel im Abkommen mit Japan auffallend schwach. Aber Hauptsache wir zeigen, dass wir gegen Protektionismus sind.
EU-Kommission hält hilflos an alten Strategien fest
Doch sowohl die Beschwichtigungsversuche gegenüber den USA, als auch die Rolle als Gralshüter der liberalen Handelsordnung zu spielen, offenbaren eine gewisse Hilflosigkeit der Kommission. Es gibt derzeit keine strategische Antwort auf die weltwirtschaftlichen Herausforderungen. Denn die aktuelle Unordnung der Weltwirtschaft ist nur zu einem geringen Teil Resultat einer fehlgeleiteten Politik eines unfähigen US-Präsidenten. Sie ist Ausdruck tiefergehender Veränderungen. Die alte Hegemonialmacht USA besitzt nicht mehr die Fähigkeit die Weltwirtschaft zu strukturieren. Das Zentrum der Weltwirtschaft hat sich nach Ostasien verlagert. Und hier gibt es mit China eine aufsteigende Macht, die inzwischen auch den Anspruch erhoben hat, die weltweit führende wirtschaftliche und politische Kraft zu werden.
Die EU handelspolitisch neu positionieren
Wenn sich Europa in dieser Konstellation behaupten will, muss es aus dem Windschatten der USA heraustreten und eine eigene strategische Positionierung vornehmen. Und dies mit einem klaren Bekenntnis zu geordneten Handelsbeziehungen. Zudem bedarf es jedoch einer Neuorientierung mit einer Verschiebung der bisherigen Prioritäten. Die EU sollte die eigene Binnenwirtschaft viel stärker in den Blick nehmen – Stichwort Ende der Austeritätspolitik und Weiterentwicklung der Eurozone – und mit einer geeigneten Industriepolitik die Herausforderungen der Digitalisierung annehmen. Darüber hinaus bedarf es einer neuen geopolitischen Positionierung. Dabei liegt es nahe, sich auf die afrikanischen Staaten wie auch die Staaten der eurasischen Wirtschaftsunion als zu entwickelnde Zukunftsmärkte zu konzentrieren.