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Brexit & Frankreichwahl: Richtige Lehren ziehen

Brexit und der Erfolg von Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich haben vor allem eines gezeigt – die europäische Integration ist kein Selbstläufer und nicht unumkehrbar. Populisten und Nationalisten nutzen geschlossen in allen EU-Mitgliedstaaten die Gunst der Stunde und die derzeitige Schwäche der EU aus, um Probleme in einigen Mitgliedstaaten, wie Migration und Wirtschaftskrise, zuzuspitzen. Oftmals werden die Themen auch noch mit Terrorismus und der inneren Sicherheit vermengt. Immer mehr Menschen lassen sich durch die scheinbar einfachen Antworten auf komplizierte Fragen dazu verleiten, mit dem sogenannten Establishment abzurechnen und den Rückzug ins Nationale zu suchen.

Brexit zu bewerkstelligen wird zwar kompliziert, schwierig und für alle Beteiligten teuer, aber er wird die EU nicht zerstören. Ein Frankreich unter Präsidentin Le Pen schon. Sie hat in ihrem Wahlkampf angekündigt, innerhalb von sechs Monaten ein Referendum über den Verbleib von Frankreich in der Eurozone und in der EU abhalten zu wollen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich unter den jetzigen politischen Bedingungen die Mehrheit der FranzösInnen gegen die EU entscheiden würde. Denn rund 7,6 Millionen Menschen haben Le Pen gewählt – eine Million mehr als bei der letzten Präsidentschaftswahl. Die Hoffnung liegt also auf Emmanuel Macron und seinem proeuropäischen Kurs. Aber auch wenn das nationale Gewitter an uns noch mal vorbeigeht, die Herausforderungen bleiben.

Klar ist: Mit Nationalismus lassen sich die aktuellen Probleme nicht lösen, weder die Gestaltung der Globalisierung noch die Flüchtlingsfrage oder die Gewährleistung äußerer und innerer Sicherheit. Deswegen liegt Macron richtig, wenn er konsequent für Europa eintritt. Aber Mehrheiten für Europa wird man nur dauerhaft sichern können, wenn sich die europäische Politik verändert. Hier bleibt viel zu tun. Der jüngste Vorschlag der Kommission zur sozialen Säule ist im wesentlichen Rhetorik und keine ambitionierte Politik. Ebenso wenig gibt es bisher ernsthafte Initiativen der Kommission oder der Mitgliedstaaten für eine Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerflucht großer Konzerne sowie für eine Wirtschaftspolitik zur Förderung nachhaltigen Wachstums. Aber das alles wäre notwendig, um die wachsende soziale Spaltung in Europa zu bekämpfen und einen Beitrag für soziale Gerechtigkeit zu leisten. Und erst das wird den Rechtspopulisten und Nationalisten die ideologische Basis für ihre destruktive Propaganda entziehen.