Auf dem kommenden Parteitag wird die SPD über ihre mögliche Rolle bei der Regierungsbildung in Berlin beraten. Sicher ist: Momentan kann man keine Option von vorneherein ausschließen. Aber jede Option muss inhaltlich begründbar sein, gerade nach den herben Stimmenverlusten bei der letzten Wahl. Seit 1998 hat die SPD mit der Ausnahme von vier Jahren zwar durchgängig die Regierung geführt oder war an ihr beteiligt. In dieser Zeit hat sie aber das Vertrauen vieler WählerInnen verloren, nicht zuletzt wegen programmatischer Fehlorientierungen. In den Augen vieler Menschen steht die SPD eben nicht mehr konsequent für die Verbindung von wirtschaftlichem Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit. Eine weitere Regierungsbeteiligung im Rahmen einer großen Koalition oder die Tolerierung einer schwarz-grünen Minderheitsregierung darf daher nur erfolgen, wenn zentrale politische Projekte durchgesetzt werden können. Sollte dies nicht möglich sein, sind Neuwahlen die vernünftigere Alternative.
Neben Projekten wie der Beseitigung des prekären Beschäftigungssektors, der Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin oder die Durchsetzung einer armutsfesten Rente für alle geht es auch um neue europapolitische Weichenstellungen. Denn die bisherige deutsche Europapolitik hat die Krise der EU durchaus mitverursacht. Wir brauchen eine Abkehr von der absurden Sparpolitik à la Schäuble und endliche eine offensive Investitionspolitik für nachhaltiges Wachstum. Statt Steuerhinterziehung und –vermeidung nur mit Krokodilstränen zu beweinen, brauchen wir endlich kraftvolle deutsche Initiativen für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die europäische Koordinierung der Unternehmenssteuern. Und wir brauchen eine konstruktive Antwort auf die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Macron und keine Hinhaltepolitik von Merkel.
In Berlin sind mehrere Optionen denkbar. Aber sie müssen an die Durchsetzung wichtiger sozialdemokratischer Positionen gebunden sein.