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Atypische Beschäftigung besser regulieren

Hintergrund: Im Dezember 2017 legte die Kommission ihren Vorschlag für eine „Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen“ vor, eine der wichtigsten Maßnahmen im Zuge der Europäischen Säule sozialer Rechte. Die Kommission reagiert damit auf die zunehmende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die steigende Anzahl ‚a-typischer‘ Beschäftigung, also von der unbefristeten Vollzeitstelle verschiedene Arbeitsformen. Statt sich auf eine bestimmte Form der Beschäftigung zu beschränken, wie es bei den Richtlinien über Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverträge oder Leiharbeit der Fall ist, soll die neue Richtlinie einen umfassenden Grundschutz für alle bestehenden und künftigen Vertragsformen gewährleisten.

Atypische Beschäftigungsformen auf dem Vormarsch

Im Jahr 2016 betraf ein Viertel aller Arbeitsverträge „atypische“ Formen der Beschäftigung sowie mehr als die Hälfte der in den letzten zehn Jahren neu geschaffenen Arbeitsplätze. Durch Lücken in den bestehenden Rechtsvorschriften können ArbeitnehmerInnen in a-typischen Beschäftigungsverhältnissen intransparenten oder missbräuchlichen Praktiken ausgesetzt sein und haben es häufig schwer, ihre Rechte geltend zu machen. Zwischen vier und sechs Millionen ArbeitnehmerInnen haben Abruf- oder Gelegenheitsarbeitsverträge, oft ohne Angabe, wann und wie lange sie arbeiten werden. Über eine Million ArbeitnehmerInnen unterliegen Ausschließlichkeitsklauseln, die sie daran hindern, für einen weiteren Arbeitgeber zu arbeiten. Nur ein Viertel der befristet Beschäftigten findet eine unbefristete Stelle. Und der Anteil derjenigen, die nicht aus freien Stücken in Teilzeit arbeiten, betrug im Jahr 2016 rund 28 Prozent. Gerade junge Menschen sind besonders von dieser Arbeitsmarktentwicklung betroffen.

Mehr Schutz für betroffene ArbeitnehmerInnen

Der Kommissionsvorschlag sieht neben der Modernisierung der bereits bestehenden Informationspflichten der ArbeitgeberInnen gegenüber ihren ArbeitnehmerInnen die Einführung neuer materieller Rechte und Mindeststandards vor. Diese sollen gewährleisten, dass auch ArbeitnehmerInnen mit a-typischen Arbeitsverträgen mehr Planungssicherheit erhalten und der generelle Schutz von Beschäftigten in solchen Arbeitsformen erhöht wird. Dazu gehört die Beschränkung der Dauer jeder Probezeit auf sechs Monate, das Recht auf Mehrfachbeschäftigung, das Recht auf bessere Planbarkeit der Arbeitszeit, die Möglichkeit, um eine planbarere oder sicherere Form der Beschäftigung zu ersuchen, sowie das Recht auf kostenlose Fortbildung.

Kontroverse über EU-weiten Arbeitnehmerbegriff

Besonders kontrovers wird der erstmalig in einer EU-Richtlinie niedergelegte Arbeitnehmerbegriff diskutiert, der die gängige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs festschreibt. Während viele Mitgliedstaaten den Vorrang nationaler Regelungen gegenüber einem EU-weiten Arbeitnehmerbegriff ins Feld führen, bemängeln viele Sozialpartner die Ausgestaltung der Definition an sich.

Position der Sozialdemokraten: Wir begrüßen diese notwendige Initiative seitens der Kommission und sehen diese Richtlinie als große Chance, um Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte nachhaltig zu verbessern, gerade auch in Hinblick auf Entwicklungen in der digitalen Arbeitswelt. Das Verbot von unfairen Vertragsbedingungen, wie unverhältnismäßigen Probezeiten, die Praxis Arbeitskräfte für notwendige Fortbildungen zur Kasse zu bitten oder unnötige Exklusivitätsklauseln gehen in die richtige Richtung. Um jedoch sicherzustellen, dass alle ArbeitnehmerInnen in allen Arbeitsformen die Rechte in Anspruch nehmen können, muss der Richtlinienvorschlag ausgeweitet werden. Wir fordern, dass alle Beschäftigungsverhältnisse von den neuen Regeln abgedeckt werden und kämpfen dafür, dass die Kommission endgültig Nullstunden-Verträge und unbezahlte Praktika verbietet.

Zeitplan: Der Beschäftigungsausschuss übernimmt das Dossier federführend. Die Fraktion der Liberalen (ALDE) übernimmt die Berichterstattung. Der Berichtsentwurf wird im Mai 2018 erwartet. Bei einem reibungslosen Ablauf könnte die Abstimmung des Ausschusses bereits im Oktober stattfinden. Auch die Kommission legt eine ambitionierte Agenda vor: Kommissarin Marianne Thyssen will das Dossier bis Ende des Jahres zum Abschluss bringen.