Am vergangenen Sonntag hat die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen bekannt gegeben, dass sie erwägt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben. Hintergrund ist das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Verfassungsgericht bescheinigte dem EuGH das europäische Recht nicht korrekt auszulegen und forderte die EZB auf unverzüglich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nachzuholen. Diese hatte der EZB im vorangegangenem Vorlageverfahren ausdrücklich nicht gefordert.
Das Vorgehen der EU-Kommission, hinzu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik, ist richtig und wichtig. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist anmaßend gegenüber dem Europäischen Gerichtshof – Länder wie Ungarn und Polen werden es genau analysieren und als Blaupause für ihre eigenen Umbau der Justiz nutzen. Über europäisches Recht entscheidet der EuGH und erst nachrangig die nationalen Gerichte. Den deutschen Angriff auf dieses Prinzip darf die EU-Kommission nicht unbeantwortet lassen.
Daneben gilt es aber auch
kurzfristigen Schaden durch das Urteil abzuwenden. Auch wenn das
Bundesverfassungsgericht nicht berechtigt ist, sich über Urteile des EuGH
hinwegzusetzen, und zudem die Europäische Zentralbank eine unabhängige
Institution ist, die ausschließlich geldpolitischen und nicht
wirtschaftspolitischen Erwägungen zu folgen hat, sollte nicht erst der Ausgang
eines Vertragsverletzungsverfahrens abgewartet werden. Sinn macht es, freiwillig
die Beweggründe für das Anleihen-Kaufprogramms in
politischen Gremien erneut darzulegen.