Türkei-Beziehungen neu ausrichten

Die Träume des türkische Präsidenten Erdogans vom alten Osmanischen Reich und das geopolitische Großmachtstreben ist nicht mehr neu. Die Türkei versteckt seine Ambitionen auch nicht mehr, sondern spricht sie offen aus und handelt dementsprechend. Das völkerrechtwidrige Eingreifen in Syrien, die Verletzungen des international verhängten Waffenembargos in Libyen, das Eingreifen in Bergkarabach sowie die fortlaufenden Verletzungen des internationalen Rechts an der Griechisch-Zypriotischen Mittelmeerküste sind nur einige Beispiele dessen.

Mit guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu diesem EU-Beitrittskandidatenland und der gemeinsamen Zollunion verband man einst die Hoffnung, die Türkei könnte ein Brückenkopf in die islamische Welt und ein stabilisierender Faktor für Frieden in der sonst instabilen Region Nordafrikas und Kaukasus werden. Davon ist die Türkei jedoch entfernter denn je. Im Gegenteil, durch sein militärisches Vorgehen heizt Erdogan die Konflikte sogar weiter an. Auch innenpolitisch stilisiert sich Erdogan immer mehr zu einem Despoten, der oppositionelle und Journalisten einsperrt, die Pressefreiheit und Menschenrechte immer mehr einschränkt, wie es jüngst der Austritt aus der Istanbul-Konvention zum Schutz der Frauen vor Gewalt bestätigt.

Es ist daher höchste Zeit, über die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei neu nachzudenken. Doch die Reise des Ratspräsidenten Michel und Kommissionpräsidentin von der Leyen nach Ankara wurde zu einem Flopp. Nicht weil Frau von der Leyen auf einem Sofa sitzen musste, sondern weil es ihr und Michel nicht gelungen ist, Erdogan aufgrund seiner internationalen Irrfahrt zu Rede zu stellen. Stattdessen möchte man mit der Türkei sogar über eine Ausweitung der Zollunion verhandeln.

Zurück gekommen mit leeren Händen und einem gegen die Schwere dieser Problematik eher peinlich erscheinenden „Sofagate“, haben von der Leyen und Michel die Spannungen vergrößert und dem internationalen Ansehen der EU als Mittler geschadet. Die Aussprache im Europäischen Parlament ist ebenso enttäuschend verlaufen. Wieder einmal wurde deutlich, dass von der Leyen und Michel eine Fehlbesetzung in diesen politischen Spitzenämtern sind.

Eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei kann es nur geben, wenn Erdogan seine demokratiefeindliche Politik verändert zu rechtstaatlichen Prinzipien zurückkehrt. Wir brauchen auch im Europäischen Parlament eine ehrliche Debatte darüber, wie sich die EU gegenüber dieser Politik verhalten soll. Die nächste Gelegenheit dazu wird der jährliche Länderbericht zur Türkei werden. Das Parlament wird unter diesen Bedingungen seine Forderung nach einem Ende der Beitrittsgespräche sicherlich erneuern.

Bild: Necati Savaş – European Union, 2021 – Source: EC – Audiovisual Service