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Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben – Polen und Ungarn weiter auf Abwegen

Am Mittwoch fiel das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof: Die Disziplinarkammer für polnische Richter ist rechtswidrig. Das von der national-konservativen PiS-Regierung kontrollierte polnische Verfassungsgericht stellte jedoch umgehend fest, dass solche Urteile künftig in Polen keine Geltung mehr haben sollen – ein eklatanter Bruch des Europäischen Grundsätze. Trotz des seit 2017 laufenden Verfahrens wegen Verletzung europäischer Grundwerte hat sich die PiS-geführte Regierung in Polen in der Vergangenheit wiederholt europäischem Recht widersetzt und scheint diesen Weg auch weiter fortsetzen zu wollen.

Obwohl der EuGH bereits im April des letzten Jahres mit einer Anordnung den sofortigen Stopp der Richtergängelung verlangte, arbeiteten die Disziplinarkammern einfach weiter. Noch Ende des letzten Jahres wurde die Immunität eines PiS-kritischen Richters aufgehoben und sein Gehalt gekürzt. Die EU-Kommission hat diesen Rechtsbruch sehenden Auges zugelassen, mit den neusten Entscheidungen des EuGHs geht das nun nicht mehr.

Das zweite prominente rechtsstaatliche Sorgenkind in der EU ist Ungarn. Bereits Anfang Juli hatte sich das Europäische Parlament mit einer fraktionsübergreifenden Resolution zum ungarischen LGBTIQ-Gesetz befasst – diese kann hier heruntergeladen werden:

https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2021-0412_EN.pdf

Das Parlament verurteilt mit deutlichen Worten das ungarische Gesetz und verlangt von der EU-Kommission rechtliche Schritte im Eilverfahren vor dem EuGH. Das Gesetz steht im Zusammenhang mit dem jahrelangen Demokratieabbau in Ungarn. Die Kommission muss umgehend den Rechtstaatsmechanismus zum Schutz des EU-Haushaltes anwenden. Auch die Staats- und Regierungschefs sollten im Rat gegen Viktor Orbán vorgehen und dabei auch eigene Klagen vor dem EuGH in Betracht ziehen.

Die Europäische Union darf sich nicht länger von Viktor Orbán für dumm verkaufen lassen. Der Aufschrei wegen Orbáns jüngstem Gesetz muss endlich Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass er seit mehr als zehn Jahren Demokratie und Rechtsstaat mitten in der EU abbaut. Er hat – gedeckt von der konservativen Europäischen Volkspartei – die europäische Wertegemeinschaft schon längst verlassen, bedient sich aber weiter gerne aus den Brüsseler Geldtöpfen.

Die Frage der Grundwerte wird über das Wohl und Weh der EU entscheiden. So langsam dämmert das hoffentlich auch den Staats- und Regierungschefs. Sie sollten ihrer Empörung über Orbán Taten folgen lassen und sich trauen, auch ihrerseits gegen ihn vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Wer nach über zehn Jahren Demokratieabbau in Ungarn noch immer auf einvernehmliche Lösungen mit Orbán setzt, macht sich am Zerfall der EU mitschuldig.