Platzhalterbild

Die Spirale der Eskalation muss unterbrochen werden!

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nimmt bedrohliche Ausmaße an. Die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung ist real und die Nachrichten überschlagen sich. Und bisher ist keine Lösung in Sicht. Alle Gespräche zwischen Russland, den USA, der EU und der Ukraine sind nicht erfolgreich gewesen. Dabei wären gute und intensive Gespräche gerade jetzt wichtig. Es muss darum gehen, erste Schritte zu einer Deeskalation zu vereinbaren, denn wir brauchen dringend eine diplomatische Lösung.

Waffenlieferungen tragen nicht zur Entspannung bei

In offiziellen Statements wird aktuell noch gebetsmühlenartig der Wille zu Gesprächen betont. Gleichzeitig geht die Aufrüstung auf beiden Seiten weiter. Russland hat nach verschiedenen Medienberichten an seiner Grenze zur Ukraine inzwischen etwa 100.000 Soldaten zusammengezogen und hat für die kommende Zeit ein großes Manöver im Grenzgebiet – gemeinsam mit dem Verbündeten Belarus – angekündigt.

Auf der anderen Seite der Grenze setzt auch die ukrainische Regierung auf Rüstung. Dabei wird sie von mehreren NATO-Staaten unterstützt. Zuletzt bekräftigte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace die Absicht der Ukraine Waffen liefern zu wollen. Die ersten dieser Waffenlieferungen sind bereits unterwegs in die Ukraine, zusammen mit britischen Soldaten, die in der Ukraine für die Ausbildung an den Waffen sorgen sollen.

Was, bei dem subjektiv sicherlich verständlichen Bedürfnis nach Verteidigung der Ukraine, vergessen wird: Jede Waffe sorgt wortwörtlich für mehr Sprengkraft in dem Konflikt und steigert das Eskalationspotenzial. Auch wenn immer wieder betont wird, es handele sich nur um defensive Waffen, geht von ihnen sicherlich kein Signal der Entspannung aus. Das gilt besonders, da nicht immer eindeutig geklärt ist, was defensiv und was offensive Militärtechnik ist – die 2400 Pistolen aus Estland oder die amerikanischen Panzerabwehrraketen sind nicht so programmiert, dass sie nur auf russische Panzer auf ukrainischem Staatsgebiet schießen können. Entsprechend kritisiert auch der Kreml die Waffenlieferungen, natürlich ohne selbst einen Schritt zurückzuweichen und das geplante Manöver abzubrechen.

An dieser Stelle das Wichtigste: Es ist gut, dass Deutschland bisher – trotz übereilter und irrlichternder Aussagen von Wirtschaftsminister Habeck – keine Waffen geliefert hat und das auch zukünftig erstmal nicht tun wird. Das hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz richtigerweise in dieser Woche erneut betont. Nicht zu begreifen ist die Rolle der Grünen in der Bundesregierung, die anscheinend ihre friedenspolitischen Wurzeln endgültig in den Wind schreiben. Gerade in Fragen globaler Abrüstung und Friedensinitiativen wäre ein gutes Bündnis von friedensorientierten Grünen und Sozialdemokraten wichtig – auch als Gegengewicht konservativer Kräfte.

Und wie weiter?

Mit einer Absage an Forderungen nach Waffenlieferungen hält Olaf Scholz aber zumindest die Tür offen für Gespräche und für eine deutsche Rolle als Vermittler. Eigentlich wäre hier auch der Platz für die EU, aber eine solche ‚neutrale‘ Stellung gerät immer mehr in Bedrängnis, je mehr Mitgliedstaaten sich eindeutig und durch praktische Unterstützung auf die Seite der Ukraine stellen.

Der Auftritt des Präsidenten Macron bei der Vorstellung der französischen Ratspräsidentschaft im Plenum des Europaparlaments lässt zumindest hoffen, dass die EU unter französischer Führung geeinter auftreten wird und den Dialog mit Russland stärker selbst in die Hand nimmt. In der Tat ist es von unserem ureigensten Interesse, die Beziehungen mit unserem größten und direkten Nachbar wieder auf eine rationelle, feste Grundlage zu stellen. Allein im Windschatten der USA wird es uns nicht gelingen. Wir müssen wieder Mitspieler statt Spielball zwischen den USA und Russland werden.

Was wir jetzt brauchen ist. Frieden und Stabilität in Europa werden wir nur durch verstärkte Kooperation und gemeinsame Rüstungskontrolle erreichen. Die entsprechenden Verträge dazu müssen erneuert werden und Zusicherungen, wie aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, eingehalten werden. Eine weitere Möglichkeit, Gespräche zu fördern und nicht-militärische Instrumente in den Vordergrund zu stellen, wäre eine hochrangige Konferenz, die über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur mit einer herausgehobenen Rolle der OSZE berät. Für die Dauer der Konferenz sollten jede Eskalation unterbleiben. Maximalforderungen müssen für eine erfolgreichen Prozess zurückgestellt werden und es ist geboten, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen. Russland sollte seine Stationierung der Truppen zur Grenze der Ukraine auflösen und die Souveränität der Ukraine zusichern. Die NATO und der Westen sollten eigene Vorschläge machen – die NATO-Osterweiterung der letzten Jahrzehnte hat die russische Regierung als Bedrohung ihrer Sicherheit wahrgenommen. Auch wenn man Fragen der Bündnisfreiheit aus europäischer Sicht anders bewertet, die NATO-Osterweiterung kann wohl kaum als vertrauensbildende Maßnahme eingestuft werden. Wachsendes Vertrauen ist aber wichtig für Fortschritte bei den Themen Rüstungskontrolle und Abrüstung. Nur so gelingt der Weg zu einer europäischen Friedensordnung.

Beitragsbild: Somchai Kongkamsri von Pexels