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Die Reform der Agrarpolitik ist überfällig – aber nicht so!

In der vergangenen Plenartagung stand am 22./23.10. die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) auf der Agenda. In Zeiten des Klimawandels und der wirtschaftlichen Folgen von Corona ein besonders heißes Thema.

Die Europäische Agrarpolitik mit ihrem Budget von 54 Milliarden Euro jährlich wird alle sieben Jahre reformiert. 2018 schlug der ehemalige EU-Agrarkommissars Phil Hogan ein Gesetzespaket vor, der für die europäische Agrarpolitik ein Paradigmenwechsel hätte werden können. Europäisch gesetzte Ziele für Klima-, Umwelt- und Tierschutz hätten endlich einen Wechsel in der Agrarpolitik bringen können. Weg von der Gießkannenpolitik und der einseitigen Förderung der Großbetriebe.

Für uns Sozialdemokrat*innen ist die sogenannte grüne Architektur der GAP zentral: Eine starke, europaweite Konditionalität, die die grundlegenden Regeln für alle Landwirt*innen festlegt, die EU-Agrarsubventionen erhalten wollen. Wir wollen damit mehr Mittel freigeben für ökologische Produktion und Klimaschutzmaßnahmen im Agrarsektor. Dabei steht für uns im Mittelpunkt, dass ausschließlich nachweislich erbrachte Leistungen für Umwelt und Klima honoriert werden können. Dafür fordern wir von der Europäischen Kommission einen neuen Vorschlag, wie auf wissenschaftlicher Basis der positive Beitrag für Umwelt und Klima berechnet wird. Eine Mittelvergabe ausschließlich nach Fläche lehnen wir ab.

Neben der grünen Architektur zu Klima- und Umweltschutz kämpft unsere Fraktion für die Einführung einer roten Architektur innerhalb der GAP. Die europäische Agrarpolitik braucht ein rotes Herz. Hierbei geht es um die Einhaltung von grundlegenden Vorschriften des Sozial- und Arbeitsrechts bei der Beschäftigung von Mitarbeiter*innen in landwirtschaftlichen Betrieben. Direktzahlungen sollten ausschließlich den Betrieben zufließen, die alle abhängig Beschäftigten nach dem Standard des jeweiligen Mitgliedstaates bezahlen, versichern und für diese Steuern abführen. Ein Betrieb, der illegale Beschäftigung oder Schwarzarbeit betreibt, sollten zwingend von europäischen Direktzahlungen ausgeschlossen werden.

Warum wir die Reform nicht mitgetragen haben

Wir Sozialdemokrat*innen hatten uns das Ziel gesetzt möglichst viel aus dem Parlamentsentwurf rauszuholen. Wir wollten nicht schon am Anfang aufgeben und haben um jeden Änderungsantrag zur GAP-Reform gerungen. Aber auch für uns gibt es eine grundsätzliche rote Linie: Die europäische Agrarpolitik muss an das neue Flaggschiff Europas, den europäischen Green New Deal, ausgerichtet werden.

Leider haben wir keine Mehrheiten für eine enge Bindung der zukünftigen Agrarpolitik an das Pariser Klimaabkommen erreichen können. Ganz zentrale Reformvorhaben der Kommission, die sogenannte Farm-to-Fork Strategie oder die Biodiversitätsstrategie, finden in diesem Vorschlag nicht statt. Das bedeutet, dass das Hauptinstrument zur Umsetzung einer nachhaltigen europäischen Landwirtschaft und eines europäischen Lebensmittelsektors völlig losgelöst von diesen beiden Strategien implementiert werden soll. Das ist ein Fehler.

In der Abstimmung gab es Licht und Schatten. Besonders das Anliegen in der Agrarpolitik eine „rote Architektur“ zu verankern, ist erfolgreich gewesen: Ausbeuter-Betriebe, die Lohndumping betreiben, sollen keine EU-Förderung mehr erhalten. Eine Agrarpolitik, die aber unsere Ambition, diesen Kontinent zum nachhaltigsten weltweit zu machen, ignoriert, kann nicht unsere Unterstützung finden.

Ursula von der Leyen trägt hier eine große Mitverantwortung, da sie nach den lobenswerten Aufschlägen zum Europäischen Green Deal die alten Vorschläge der Juncker-Kommission auf dem Tisch gelassen hat.

Wir werden weiter Druck für eine Agrarreform machen, die die Ambitionen der Europäischen Union in Sachen Green Deal erfüllt.

Der Rat der Landwirtschaftsminister*innen hat parallel zu den Abstimmungen im Parlament eine noch schwächere Haltung gegenüber Klima- und Umweltschutz beschlossen. Der Beschluss zeigt, wie dringend wir eine ambitionierte Agrarpolitik aus dem Parlament gebraucht hätten.