Wahlnachlese: SPD zur europäischsten Partei machen

Die Bundestagswahl endete für die SPD mit einem schmerzlichen Ergebnis. Die WählerInnen haben uns in die Opposition geschickt, und das mit dem schlechtesten Resultat seit dem Beginn der Bundesrepublik. In den Augen vieler WählerInnen hat die Partei während ihrer Regierungszeiten Glaubwürdigkeit verspielt. Eine programmatische und organisatorische Erneuerung ist unumgänglich. Als neue Fraktionsvorsitzende hat Andrea Nahles verkündet, dass sie die SPD zur europäischsten Partei im Bundestag machen will. Dabei hat sie meine volle Unterstützung. Nach meiner Überzeugung muss die Europapolitik ein Grundpfeiler der Erneuerung werden.

Europapolitische Zusammenarbeit vertiefen
In einer Zeit, in der man mit rückwärst gewandtem Nationalismus und Rassismus bei Wahlen viele Stimmen gewinnen kann, ist eine gute und vertiefte europapolitische Zusammenarbeit die richtige Antwort. Zunächst geht es schlicht um die Erkenntnis, dass keines der drängenden Probleme der heutigen Zeit besser national oder gar regional gelöst werden kann. Der Klimawandel, die verschiedenen internationalen Konflikte, die zunehmende Migration, der Kampf gegen Steueroasen – all dies lässt sich deutlich besser gestalten, wenn die europäischen Staaten zusammen und nicht gegeneinander arbeiten. Auch ökonomisch wird sich kein europäischer Staat allein in der Weltwirtschaft behaupten können.

Offensives Bekenntnis zur EU
Diese Überzeugung muss sich in einem offensiven Bekenntnis zur EU niederschlagen. Macron hat in Frankreich vorgemacht, wie sich auf diese Weise Wahlen gewinnen lassen. Im Bundestagswahlkampf waren wir viel zu defensiv, weil wir uns nicht getraut haben, in Deutschland verbreiteten Vorurteilen offensiv zu begegnen. Aber weder ist die EU eine überbordende Bürokratie, noch ist es unangemessen, dass Deutschland der größte Nettozahler der EU ist. Sicherlich zahlt der deutsche Staat deutlich mehr in den EU-Haushalt ein als er aus diesem erhält. Wir Deutsche profitieren allerdings im Gegenzug wirtschaftlich deutlich mehr als alle anderen Mitgliedstaaten von den offenen Grenzen. Das schlägt sich im Rekord-Exportüberschuss von 252 Milliarden Euro im Jahr 2016 nieder. Das erhält und schafft Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Deutschland – nicht in Polen oder Spanien.

Neuer Kurs: Soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit
Die EU darf aber nicht so bleiben, wie sie ist. Wir wollen sie weiterentwickeln und politische Kurskorrekturen durchsetzen. Die neoliberale Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik muss dringend verändert und von einer Politik abgelöst werden, die soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Und wir brauchen neue europäische Antworten auf neue Anforderungen, wie etwa die zunehmende Migration, die sicherheits- und friedenspolitische Unordnung der Welt oder auch die Gestaltung der Digitalisierung. Diese Antworten werden wir nicht einsam an Schreibtischen in Deutschland entwickeln, sondern nur in fruchtbarer Diskussion und Kooperation mit sozialdemokratischen Kräften und Parteien in den anderen Mitgliedstaaten. Wir sollten offen für andere Sichtweisen sein und bereit, voneinander zu lernen. Die europäischste Partei zu werden, ist ein lohnenswertes Ziel.